Bolivien im Kleinformat

„Eine Million Dollar nur zehn Bolivianos!“ (das nenn ich mal einen Wechselkurs) oder „Führerscheine für einen Boliviano!“ (hätte ich das früher gewusst, hätte ich gewiss nicht in Deutschland das 400-fache für eine Fahrstunde ausgegeben).
Ihr seid verwirrt? Ohne Kontext ist das auch normal. Aber keine Sorge, ich bin immer noch in Bolivien und es hat sich auch nicht wirklich etwas geändert außer das Datum.
Die Zitate stammen von den „Alasitas“, einem Markt („feria“), der jedes Jahr am 24. Januar in La Paz stattfindet. Aber es nicht nur irgendein Markt. Es ist DER Markt der Miniaturen. Ob Häuser, Babys oder Essen, es gibt einfach alles was das Herz begehrt, nur in etwas kleiner als normal.
Alasita ist Aymara und bedeutet „Kauf mich!“. Die Tradition entstand schon weit vor der Kolonialzeit in der Aymara-Kultur und wurde dann von den Spaniern übernommen. Die feria wird zu Ehren des andinen Gottes Ekeko veranstaltet, Gott des Wohlstandes und des Überflusses. Traditionell wurden an diesem Tag Nahrungsmittel im Kleinformat ausgetauscht, um das restliche Jahr über genug zu essen zu haben. Diese Tradition hat sich im Laufe der Jahre etwas weiterentwickelt, im Kern ist der Gedanke aber derselbe: Man kauft sich seinen Wunsch (sei es nun ein Haus oder auch ein Führerschein) im Kleinformat und lässt es an Ort und Stelle segnen. So soll man im kommenden Jahr vor allem bei der Umsetzung dieses Wunsches mehr Erfolg haben.
Aber genug der Theorie, kommen wir nun zur Praxis!
Ich konnte es mir natürlich nicht nehmen lassen, dieses besondere Fest zusammen mit meiner Gastfamilie und Maike, die gerade zu Besuch war, einmal persönlich unter die Lupe zu nehmen und so haben wir uns letzten Samstag, dem 24., am Vormittag auf den Weg zu den Alasitas in La Paz gemacht. Schon einige Straßen von der eigentlichen feria entfernt war das Gedränge groß, auf dem Marktgelände war Körperkontakt mit mindestens vier umstehenden Personen gleichzeitig aus Platzgründen einfach nicht mehr zu vermeiden. Da wir recht spät waren (kurz vor zwölf) musste dann alles ganz schnell gehen. Im Rekordtempo wurde ein halbfertiges Haus mit Backsteinen und Zement vor der Tür gekauft und gesegnet, da der Tradition zufolge um zwölf Uhr mittags die Wünsche „gekauft“ sein sollten. Danach war die feria aber natürlich nicht vorbei. Über zwei Stunden sind wir durch kleine Gassen von Verkaufsständen und auf dem Boden ausgebreiteten Tüchern geschlendert ohne auch nur ansatzweise alles zu sehen, haben ein „plato paceño“ gegessen (ein für das Alasitasfest traditionelles Gericht aus Kartoffeln, einem Maiskolben, dicken Bohnen, Fleisch und gebratenem Käse) und uns kleine Andenken oder „Wünsche“ gekauft. Ich bin nun stolzer Besitzer einer „maleta de la fortuna“ (Glückskoffer), der sowohl Dollar, Euro und Bolivianos, aber auch einen bolivianischen Reisepass, unterschiedlichste Kreditkarten und noch vieles mehr enthält, und einer Zusammenstellung verschiedener für mich typisch bolivianischer Produkte, wie Milch der Marke Pil, Paceña-Bier oder einem Panetón. Da bis nach Mittag strahlender Sonnenschein herrschte, war die feria äußerst gut besucht und auch als wir uns gegen drei auf den Heimweg gemacht haben nahm der Menschenstrom zu den Ständen hin kein Ende
Mir hat das Alasitas-Fest auf jeden Fall sehr gut gefallen. Überall hat man fröhliche Gesichter gesehen, jeder hatte seine guten Vorsätze und Wünsche für das gerade angebrochene Jahr im Kopf und niemand schien trotz unglaublichem Gedränge aus der Ruhe bringen zu sein.

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Kommentare: 2
  • #1

    Oma (Donnerstag, 29 Januar 2015 11:03)

    Schön das wir an deinen Unternehmungen teilhaben können.
    Bolivien ist schon etwas besonderes, Du wirst uns viel
    erzählen können.

  • #2

    Fritz-Georg Kersting (Dienstag, 03 Februar 2015 18:41)

    Es ist immer wieder spannend, Deine Berichte im Blog zu lesen und damit an die eigene Zeit in Bolivien in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts erinnert zu werden: Gottseidank hat sich zu Weihnachten und zum Alacitas-fest noch nicht viel verändert.
    Ich hoffe, die Bolivianer halten an ihren Gebräuchen fest.
    Ganz herzlichen Dank für die tollen Eindrücke! Du bist wirklich in Bolivien angekommen!!!