Wahlen

Am 12.10.14 fanden hier in Bolivien Präsidentschaftswahlen statt und ich war live dabei! Der Wahltag an sich war allerdings nicht wirklich spektakulär, viel mehr war es die Zeit des Wahlkampfes, die mich beeindruckt hat. Aber erst mal ein paar grundlegende Punkte:
Seit der Verfassungsänderung 2008 gibt alle fünf Jahre Präsidentschaftswahlen in Bolivien. Neben Evo Morales, der seit 2006 als erster indigener Präsident Boliviens das Sagen hat, traten unter anderem Jorge Tuto Quiroga, ebenfalls ein ehemaliger Präsident und Samuel Doria Medina an, insgesamt waren es fünf Kandidaten. Evo Morales gehört zu der Partei MAS (Movimiento al Socialismo, „Bewegung zum Sozialismus”), die eigentlich in ganz Bolivien große Unterstützung findet, was aber auch zum größten Teil an der Person Evo Morales selbst liegt.
Insgesamt gibt es hier in Bolivien weniger Parteien als in Deutschland, auch gibt es keine 5%-Hürde um ins Parlament zu kommen, dafür allerdings eine Geldstrafe, wenn man weniger als 3 % der Gesamtstimmen erreicht.
Jetzt aber zum Wahlkampf: Der lief, zumindest soweit ich das mitbekommen habe, nicht hauptsächlich über das Fernsehen ab (also zB mit Debatten und Diskussionen) wie man es in Deutschland gewöhnt ist, sondern viel mehr über „Graffitis“ und öffentliche Auftritte. So habe ich zum Beispiel schon in meinen ersten Wochen hier in den kleinsten Dörfern auf dem Land Sprüche wie „Evo 2015-2020“ oder „Evo si cumple“ auf Steine gesprüht gesehen. Was allerdings auffiel war, dass Graffitis oder Plakate zu Gunsten Evo Morales deutlich öfter geduldet waren als andere… Auch habe ich durch meinen Umzug von Sucre nach La Paz deutlich Unterschiede in der Beliebtheit Evo Morales bemerkt. Hier in El Alto habe ich öfter das Gefühl, die Person Evo Morales sei ein gefeierter Staatsheld, während man in Sucre doch öfter trockenere Kommentare zu hören bekommen hat, aber wo das herkommt ist eine andere Geschichte.
In der letzten Woche vor der Wahl waren dann die Ceja (wenn man in El Alto eine Art Zentrum benennen wollen würde, wäre es wohl die Ceja) und die Plaza San Franzisco in La Paz nicht mehr wiederzuerkennen. Fast jeden Tag gab es eine große Veranstaltung einer der fünf Parteien, dauernd sah man Gruppen von Leuten mit Fahnen und farblich abgestimmter Kleidung passend zu ihrer Partei und selbst eigentlich neutrale Veranstaltungen wie die Einweihung einer Straße (ja, wenn hier eine Straße fertig gebaut wird, wird sie auch ordnungsgemäß eingeweiht) wurden für Propagandazwecke verwendet.
Und dann kam der 12.10 und der ganze Spuck war von jetzt auf gleich vorbei. Wahltage sind in Bolivien grundsätzlich frei und außerdem fährt kein einziges öffentliches Verkehrsmittel (Privatfahrzeuge auch nur mit Sondergenehmigung). Und da meine Familie und ich (und Maike, die zu Besuch war) also höchstens zu Fuß von der Stelle kamen, war dieser Tag einer der entspanntesten, den ich bisher hier in Bolivien erlebt habe. Bei strahlendem Sonnenschein haben wir uns nach dem Mittagessen zu Fuß zur nächstgelegenen Schule aufgemacht, wo die einzelnen, ich nenne sie mal Wahlstationen, aufgebaut waren. Rund um den Schulhof waren Tische aufgestellt über denen Nummern und Plakate mit Namen hingen. Man konnte also nicht einfach irgendwo wählen, man musste genau seinen Tisch finden, wo dann mit List kontrolliert wurde, dass auch jeder pünktlich zur Wahl gegangen ist (wer hier nicht wählt muss eine gar nicht so kleine Strafe zahlen!).
  Anschließend haben meine Familie und ich noch ein Eis genossen und uns dann wieder auf den Weg nach Hause gemacht, um auf 20 Uhr zu warten, wo das erste vorläufige Ergebnis der Wahl verkündet wurde. Im ersten Moment kam ich mir dabei allerdings wie bei der Punkteverteilung des Eurovision Songcontest vor, da von jedem departamento einzeln die Ergebnisse verkündet wurden, bevor dann ein Gesamtergebnis zur Sprache kam. Jedoch war es schon nach wenigen departamentos klar, dass niemand Evo Morales so schnell das Wasser reichen würde was die Prozentzahlen anging. Gerade mal in einem departamento (Beni) konnte die MAS keine deutliche Mehrheit der Stimmen gewinnen, und so war es nicht verwunderlich, als das Endergebnis feststand: Evo Morales wurde mit ca. 60% der Gesamtstimmen wiedergewählt, sein stärkster Konkurrent war Samuel Doria Medina mit gerade mal ~25% der Stimmen.
Ich führe es auf den eindeutigen Sieg der MAS zurück, dass es an den Folgetagen der Wahl kaum Unruhen oder auch die in Bolivien so beliebten bloqueos gab. Ab und zu wurde noch über das Thema Wahlen geredet, ansonsten lief aber alles wie bisher, da ja auch politisch gesehen keine großen Änderungen zu erwarten sind. Trotzdem bin ich gespannt, was Evo Morales jetzt mit seiner bereits dritten Amtszeit anstellen wird!

Wahlwerbung auf dem Land... Meiner Meinung nach aber kein wirkliches optisches Highlight. ;)

Einer der vielen Wahltische.

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Jochen (Freitag, 17 Oktober 2014 01:57)

    Was ein armes Land...

  • #2

    Mama (Freitag, 17 Oktober 2014 21:18)

    Ich hoffe, die Bolivianer sind dankbarer als viele Deutsche, wählen zu dürfen! Interessant, welche Unterschiede und Parallelen es gibt.