Diablada

Die bolivianische Kultur unterscheidet sich, wie ich immer wieder feststelle, in vielen Aspekten von dem was ich aus Deutschland gewohnt bin. Ein großer Punkt ist z.B. die Jungfrauenverehrung und die Mischung aus andinem Glauben und christlichen Bräuchen. Und wie lernt man andere Kulturen, Bräuche oder auch Feste am besten kennen? Genau, in dem man einfach mal mitmacht.
Das haben  Maike, meine Mitfreiwillige aus Sucre, und ich uns zumindest gedacht und uns kurz nach unserer Ankunft in Sucre direkt ins Tanz-Training gestürzt. Das Centro Cultural Masis, in dem Maike arbeitet, nimmt nämlich jährlich an der Entrada de la Virgen de Guadalupe in Sucre teil und tanzt die Diablada.
 Aber was ist nun die Diablada?
In der Diablada wird der Kampf zwischen Gut und Böse, verkörpert durch den Erzengel Michael und den Teufel bzw. dem „Huari“, andiner Gott der Berge, dargestellt. Hier fällt deutlich die Vermischung von christlichem und andinem Glauben auf, der auf die Zeit der Kolonialisierung zurückzuführen ist. Für die Entrada bedeutet das einen Erzengel, einen Luzifer, begleitet von anderen andinen Figuren, und eine große Gruppe von Diablos/Diablas, die in bestimmten Kostümen für die Virgen („Jungfrau“) tanzen.
Das Ganze möchte natürlich gelernt sein, weswegen Maike und ich neben dem Sprachkurs jeden Morgen um halb sieben im Park von Sucre zuerst den Grundschritt und danach sämtlich Drehungen und Anweisungen verinnerlicht haben, um bei der Entrada am 13.09 als Diabla mitzutanzen. Da ich aber natürlich nicht zwei Monate in Sucre bleiben konnte, habe ich mich zwei Wochenenden hintereinander von El Alto aus in den Bus gesetzt, um bei der Generalprobe, dem „Convite“, und der Entrada dabei zu sein. Das war wie nicht anders zu erwarten eine recht anstrengende Prozedur, in Bussen schläft es sich dann doch nicht so gut wie im eigenen Bett und sechs Stunden mit Absätzen auf der Straße tanzen merkt man auch in den Füßen (auch wenn man sich vorher sämtliche Blasenpflaster aufgeklebt und die Stiefel mit Binden präpariert hat), aber es hat sich ohne Zweifel gelohnt.
Es war eine sehr schöne Erfahrungen Teil eines so großen Stücks der bolivianischen Kultur zu sein und zu sehen, wie die Leute am Straßenrand sich freuen und klatschen, wenn man als Gruppe vorbeitanzt. Ein bisschen habe ich mich gefühlt wie an Karneval, allerdings hat niemand Süßigkeiten geworfen und die Ausmaße der Entrada in Sucre sind auch eher mit dem Rosenmontagszug in Köln zu vergleichen als mit einem kleinen Zug in Leverkusen. Dieses Jahr zum Beispiel waren über 50 Gruppen mit teilweise über hundert Tänzern dabei, die von morgens um acht bis nachts nach ein Uhr die verschiedensten bolivianischen Tänze gezeigt haben. Leider ist das Ganze keine wirklich billige Angelegenheit, da Stiefel, Kleid, Handschuhe und Maske gekauft und die restliche Tracht aus Oruro, DEM Zentrum des bolivianischen Karnevals, ausgeliehen werden müssen. Doch eine solche Maske als Andenken an ein Wochenende voller Spaß, Tanz und neuer Erfahrungen versucht man gerne im Flugzeug mit nach Deutschland zu bringen!
Am Tag nach der Entrada wurde noch einmal deutlich, dass hinter dem Tanzen auch eine religiöse Überzeugung steht, die eine große Rolle spielt. Um sechs Uhr morgens haben wir uns erneut getroffen, um für die ersten Sonnenstrahlen zu tanzen, die in der Kirche auf die Figur der Virgen fallen. Auch wenn die Virgen nicht Maria heißt, so verkörpert sie doch seit der Zeit der Kolonialisierung die Jungfrau Maria, so wie es quasi alle Jungfrauen hier in Bolivien tun. Nach einer kleinen Verschnaufpause wurden dann die Kostüme wieder angelegt um zuerst in einer Messe für die Jungfrau und die Tänzer zu beten (ein recht seltsames Gefühl in so einer Aufmachung in der Kirche zu sitzen!) und danach noch einmal die letzten Kräfte zusammenzukratzen und erneut um die Plaza zu tanzen. Auch wenn es vielleicht nicht sechs Stunden waren wie am Vortag war es doch um einiges anstrengender, man hatte schließlich den letzten Tag noch in den Beinen und in der Nacht wenig Schlaf. Außerdem hatten wir ein traumhaftes Wetter, zumindest würde das ein Urlauber am Pool sagen, steckt man allerdings in einem schweren Kostüm und tanzt unter freiem Himmel auf der Straße bevorzugt man doch eher eine bewölkten Himmel, wie am Tag der Entrada.
Darauf folgte dann ein leckeres Mittagessen, was man sich dann auch verdient hatte und anschließend die obligatorische Taufe der neuen Tänzer. Die „Taufe“ beinhaltet einen Schwur, der Hauptteil besteht zur allgemeinen Belustigung allerdings aus einem Pflichtgetränk aus Bier und Würstchen und einer Dusche aus Ei, Mehl und Bier. Danach musste die Dusche Zuhause auch erst mal von Eierschalen befreit werden, nachdem dann auch das letzte bisschen Ei-Mehl-Gemisch aus meinen Haaren entfernt war.
Im Großen und Ganzen war die Entrada also eine super lustige, interessante, aufschlussreiche, bereichernde, anstrengende und emotionsgeladene Erfahrung, die mir viele neue Freunde in Sucre, aber auch viele neue Eindrücke (und natürlich auch Fotos) beschert hat. Ein bisschen melancholisch werde ich schon, wenn ich daran denke, dass die Entrada, DAS Ziel der letzten Wochen, jetzt vorbei ist. Aber wie immer seit meiner Ankunft hier ist das nächte Abenteuer sicher nicht weit!

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Kommentare: 2
  • #1

    Mee (Samstag, 20 September 2014 09:50)

    Schön, dass es dir da so gut gefällt. :)

  • #2

    nestrac (Dienstag, 23 September 2014 20:29)

    Na das liest sich ja super und du bist mit vollem Einsatz dabei! Kultur erleben heisst mitmachen, genau. Egal ob beim kölschen Karneval oder bolivianischem diablada.
    Weiterhin viel Spaß. Es macht Spaß den blog zu lesen.